Zwischen Deep Purple und Dancing Queen – The Osmonds: Brainstorm

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Zwischen zuckersüßem Vokal-Pop und knallhartem Rock – diesen Spagat hört man auf dem Album einer Band selten. Umso interessanter ist der Longplayer „Brainstorm“, den ich unlängst für einen Euro auf dem Flohmarkt erworben habe. Ebenso spannend ist dieser Sturm durch alle musikalische Winkel des Gehirns, den die weiße Antwort auf die Jackson Five 1976 hier liefert….

Musik für Oma, Eltern und die Marihuana rauchenden Teenager

Erinnert sich noch jemand an Larry’s Showtime? Das war in den Siebziger Jahren eine Sendung, die Ausschnitte aus US-Fernsehshows brachte. Eigentlich wollte ich die Sendung nur wegen der lustigen Zeichentrick-Katze sehen, die zwischen den Interpreten gezeigt wurde. An die einzigen, an die ich mich neben Dean Martin noch erinnern kann, waren die Osmonds, eine Band, die aus gefühlt mindestens zehn Brüdern bestand – vom Vorschulkind bis zum fast Erwachsenen. An die Rocksongs kann ich mich allerdings nicht mehr erinnern, nur an schlagerhafte, hübsche, im Chor gesungene Harmonien. Das entspricht im Grunde auch dem Bild, das die Osmonds jahrelang vermittelten. Bereits seit den späten Fünfziger Jahren trat ein Teil der Brüder, allesamt unter 10 Jahren, mit Barbershop-Musik im Mormonen-Staat Utah auf. Bei einem Engagement in Disneyland mit dieser an die Comedian Harmonists erinnernden Acapella-Musik wurde der 2013 verstorbene Entertainer Andy Williams auf sie aufmerksam. Seit 1962 folgten Auftritte der Osmond-Brothers mit Schlagern in dessen TV-Show, seit 1969 waren sie auch in der Sendung des Komikers Jerry Lewis regelmäßig zu Gast – Unterhaltungssendungen für die ganze Familie. Doch das Jahr 1969 war auch ein Wendepunkt für die singenden Brüder, die gegen den Willen des frommen Vaters – die Familie gehörte den Mormonen an – eine Pop- und Rock’n-Roll-Band werden wollten. Von Rock war allerdings zunächst nicht viel zu spüren. Mit Bubblegum-Pop à la „Puppy Love“ stürmten sie die Top 10 der US-Charts. Parallelen zur Bandstruktur der Jackson Five waren nicht zufällig, sondern beabsichtigt, speziell der „Honey Bee Song“ sowie den Nummer-Eins-Hit „One Bad Apple, die perfekt den Sound der Jackson-Brüder imitierten. Obwohl noch in den frühen Siebzigern mit zarten fünf Jahren der „Little Jimmy Osmond“ zur Band stieß und den Niedlichkeitsfaktor erhöhte, setzten sich schließlich die Heranwachsenden durch. Der psychedelische Glamrock-Titel „Crazy Horse“ zeigte die wilde Seite der Osmonds und wäre auch etwas für Marihuana rauchende Jugendliche gewesen, die dazu im Party-Keller ihrer Eltern laute Musik hörten. Im vereinigten Königreich kam dieser Titel auf Platz 2 und zählt damit zu den bekanntesten Song der Osmonds.

Das Album Brainstorm – Glamrock, Funk und Disco als Ausweg aus der Schlagerhölle?

Die „Osmondmania“ mit der typischen kreischenden Fan-Hysterie markierte den Höhepunkt der Band 1971 und 72. Der dann nachlassende Erfolg brachte die Osmonds anscheinend dazu, es 1976 mit dem Album „Brainstorm“ weiterhin jedem Recht machen zu wollen. So klingt die Debut-Single „I Can’t Live A Dream“ wie der in der frühen Disco-Zeit populäre Philly-Sound: Harmonische, zuckersüße Vocals und Streicher zu einem mitreißenden Groove. Das Erfolgsrezept, nach dem auch Abba mit „Dancing Queen“ sogar in den US-Charts die Spitze erklomm, funktionierte allerdings nicht bei den singenden Brüdern. Sie landeten damit in den Staaten lediglich auf Platz 46. Auskopplung und Track Nummer zwei „Back On The Road Again“, eine heute durchaus interessante West-Coast-Nummer, vergleichbar mit Songs der Eagles oder von America, schaffte es überhaupt nicht in die Hitparaden. Das Album „Brainstorm“ wurde immerhin noch auf Platz 145 der US-Charts verzeichnet. Noch mehr disco ist der Titel  „Boogie Down“, der auch schöne Funk-Bläser, Handclaps, synkopische Gitarren und Clavinet-Sounds in Richtung des Stevie Wonder-Hits „Superstition“ aufweist. Noch verrückter wird es mit „Gotta Get Love“, tiefe Bassstimmen wechseln sich mit verzerrten höheren Vocals ab. Wahrscheinlich Leadsänger Merrill röhrt mit dem typischen heiseren Heavy Metal-Altus herein. Dazu psychedelische lange Gitarrensoli und schließlich ein fulminanter Trommelwirbel, der die Eigenkomposition nach 3:25 Minuten abschließt. Der die Seite abschließende Track „Walking In The Jungle“ verwendet fast ausschließlich Blues-Harmonien und Jethro-Tull-artige Rockflöten. Während die komplette Seite mit Eigenkompositionen von Allan, Wayne und Merrill Osmond bestückt ist, glänzt Seite zwei mit zwei Songs, die vom Produzenten Michael Lloyd stammten. „At the Rainbow Ends“ ist ein bittersüßer Adult Contemporary-Schlager, der von der Art seiner Melodie und den Chorgesängen auch von den Carpenters oder von the 5th Season hätte stammen können – im positiven Sinne. Die zweite Lloyd-Nummer heißt „Learning How To Love“ und geht mehr in Richtung Bubblegum-Sound, allerdings mit wesentlich mehr Drive. Es folgt eine Nummer mit bluesigen Akkorden, die von den Shadows-Mitgliedern John Farrar und Hank Marvin stammt. Dennoch ist der Track nicht mit dem gleichnamigen „It’ll Be Me“ von den Shadows als Begleitband von Cliff Richard aus den Sechzigern zu verwechseln. Es erinnert viel mehr an den recht ähnlich klingenden Track „Totally Hot“, den Farrar für Olivia Newton-John geschrieben hat –  wie fast alle ihrer weiteren Hits, darunter „You’re The One That I Want“ aus „Grease“. Nach den Fremdkomponisten und –textern übernehmen wieder Alan, Wayne und Merrill Osmond das Ruder und liefern mit „Check It Out“ eine schräge, psychedelische Funk-Rock-Nummer. Noch mehr Tempo nimmt die Band mit „Medicine Man“ auf, das passend zum Titel einen Groove mit lauten Drums, die an Buschtrommeln erinnern, startet. Die schreiende Glam-Rock-Stimme macht den Titel noch wilder. Kein versöhnliches Ende für die Fans der alten Osmond-Schlager. Für den Schmalz waren nun Donnie und Marie Osmond als Duo zuständig, die mit ihrer gleichnamigen äußerst biederen TV-Show von 1976 bis 79 dafür sorgten, dass der aufgewirbelte Staub sich wieder legte.

The Osmonds heute:

2007 und 2008 taten sich alle Brüder mit Marie Osmond zusammen tourten anlässlich ihres 50jährigen Jubiläums durch die Staaten. Ansonsten verblieben Merrill, Jimmy und Jay als Formation „The Osmond Brothers“, die 2012 das Album „I Can’t Get There Without You“ veröffentlichten. Neben diesen neuen, eher der Country-Music zuzuordnenden Songs, verzeichnen die „Jungs“ eine rege Tournee-Aktivität, wie ihre Homepage belegt.

Bewertung (1-5 Punkte):

Artwork: 1

Sleevenotes: keine

Kultfaktor: 2

Trashfaktor: 3

Tanzbarkeit: 2-3

Rockbarkeit: 2-3

Melodiösität: 4

 

Für Fans von: Jackson Five, Deep Purple, Abba, Jethro Tull, T-Rex, Gary Glitter, Slade, Carpenters

Tags: Rock, Pop, Schlager, Country, Adult Contemporary

 

Infos: http://www.osmond.com/

Eine Antwort

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